Zu einer guten Küche, erst recht einer gegen den Weltuntergang, gehört auch, dass man eine Menge Sachen machen muss, bevor der Teller zum Gast geht. Manchmal sehr viele gleichzeitig. Nicht immer hat man genug Töpfe und häufig klingelt das Telefon zu oft. So kommt es, dass die neueste Essgeschichte zwar schon da ist, aber noch roh und ungeschält auch etwas sandig.
Zum Überbrücken – als Amuse gueule sozusagen – möchte ich Euch meine Freundin Funda vorstellen, die die wunderbarsten Meze macht und in Findorff einen Laden aufgemacht hat: die Fundabar. Es ist kein Restaurant, sondern eine süße kleine Cateringküche in der auch kleine Feiern stattfinden können, zum Beispiel Kochworkshops.
Zwei davon darf ich im Frühling machen, juhu, eine Asienreise! Willst Du mit? Hier ist der link zum Gewürzparadies:
Schon als ich ein kleiner Junge war, waren die verbotenen Dinge die Besten. Zu den schönsten, verbotenen Momenten meiner Kindheit gehörte die sogenannte Schummerstunde mit meiner Mutter. Wir saßen in der Dämmerung im Wohnzimmer mit irischer Musik, schwarzem Tee und Kerzenschein, aßen ein Plätzchen oder ein Stück Stollen und unterhielten uns über alles Mögliche.
Einer von uns, meistens ich, saß in Fensternähe, um den Lichtschein zu sehen, den Vaters Auto warf, wenn es den Weg hochkam. Schnell wurde dann die Musik abgestellt und die Kerzen ausgepustet, denn es war ja noch nicht Weihnachten, sondern nur ein ganz normaler Herbstabend. Auch die Teetasse musste weg, denn Tee ist nichts für Kinder. Und wenn der liebe Gott das Licht ausmacht, dann soll man schlafen gehen – das waren die Ansichten meines Vaters. Auch, was Essen anging, war alles, was er sagte ziemlich logisch. Obst ist Nachtisch, Zimt gibt’s im Advent, gewürzt wird mit Salz und Pfeffer und zu einem richtigen Essen gehören Kartoffeln und keine Nudeln, denn wir sind ja hier nicht in Italien. Nudeln gab es fast nie.
Gesundheitsbewusst war er schon immer, legte viel Wert auf Sport und die tägliche Ration Obst und Gemüse. Gemüse mochte ich. Obst eher nicht. Überhaupt war Süßes – außer natürlich Eis – nicht so mein Ding. Das wussten auch die anderen Kinder im Dorf und so gab es für den kleinen Manus zum Geburtstag keine Schokolade, sondern eine Mettwurst. „SCHUMMERSTUNDE – so schmeckt Versöhnung“ weiterlesen
Immer, wenn ich tagsüber Bier trinke, muss ich an meine Ex denken, zu der ich nie „Musst Du schon wieder industriell hergestellten Fruchtjoghurt essen?“ gesagt habe. Dabei wissen wir doch alle, wieviel Zucker und Zusatzstoffe da drin sind, von denen wir dagegen nicht wissen, welchen Krebs sie möglicherweise auslösen. Ich ärgere mich nicht, sondern lächle über mein Bier hinweg auf den Fluss und denke an die schöne Zeit miteinander zurück. Es war ja irgendwie auch fürsorglich gemeint, denke ich mir. Zumindest hat das meine Therapeutin gesagt.
Sie hatte es ja auch nicht leicht, als Frau eines Küchenchefs. Manche denken ja wirklich, wenn man einen Koch heiratet, ist die Versorgungslage – zumindest kulinarisch – geklärt. Natürlich ist das Gegenteil der Fall, denn Köche kochen nicht zu Hause. Frauen von Köchen werden vergessen, versetzt und aus der ersten Reihe des Lebens geschubst. Sie sind sowohl gesellschaftlich als auch in der Küche auf sich allein gestellt. Heute kann ich schmunzeln über unsere ersten Versuche, gemeinsam zu kochen. Wie sie mich damals verrückt gemacht hat mit ihrem albernen Schwammtuch, ihrem stumpfen Messerchen, mit allem – wie sie war.
Es gibt ja Kolumnisten, die reden mit ihrem Kühlschrank. Ich gehörte eigentlich nicht dazu. Bis vor ein paar Wochen, als meiner, ich weiß nicht mal seinen Namen, sich entschloss, lieber ein Gletscher sein zu wollen. Systematisch fraß er von hinten nach vorne den Rumtopf, ein Lieblings-Ouzo-Glas, etwas Unbeschriftetes aus grünen Chili und die tausendjährige Johannisbeermarmelade. Ich hasse Marmelade. Soll er haben. Aber irgendwann brauchte ich das Ouzo-Glas und fing an mit all meinen Badehandtüchern, vielen Schüsseln heißen Wassers, Zuspruch und meinem Fön, den ich nur Haartrockner nennen darf, weil er nicht von Braun ist, eine lange Nacht der Enteisung zu veranstalten.
Es wurden drei Nächte, bis alles blitzblank und abgetaut war. Prost! Darauf, dass alles grad beschissen läuft. Wir haben angestoßen – mehrfach. Darauf, dass wir wieder aufstehen, weil wir (das Gras) stärker sind als der Stier. Auf Bertolt Brecht auch und auf den Scheiß-Job, der nun endlich weg ist. Auf Gott und die Welt, Frauen und fast alles.
Haben Sie schon mal überlegt, was die Wörter Delikt, delikat und Delikatesse miteinander zu tun haben? Warum sind nicht alle gleich positiv besetzt? Ist der Umstand, dass etwas, das wir delikat nennen, immer irgendwie auch ein bisschen versaut ist, das eigentlich Reizvolle? Und wo bleibt hier der Geschmack?
Ist es beispielsweise geschmackvoll (oder delikat?), dass manche Menschen – und nicht nur Köche – andere, wenn sie sich hingezogen fühlen als Schnitte, Schnecke oder Filet betiteln? Wer ist dann ein Wurstbrot und vor allem: Kann auch ein Bückling sexy sein? Insbesondere, wenn ich ihn selbst genagelt – äh… geangelt habe? Hier ist wohl die Grenze zu pikant.
Bei KULINARDELIKT geht es ums Lebensmittel – und doch ist sie keine Kochkolumne im althergebrachten Sinne mit grammgenauen Rezepten und Vorher-Nachher-Fotos. Es geht um den anarchistischen Umgang mit guten Produkten. Kreativ, behutsam und nachhaltig. Es geht um Handwerk und um altes Wissen, denn oft weist uns der verantwortungsvolle Blick zurück den Weg in die Zukunft. Es geht um Realität und manchmal auch Entbehrung – viele Lieblingsessen sind entstanden, weil etwas fehlte.
KULINARDELIKT ist was zu Lesen für selbstbestimmte Menschen, die im Mund denken, kulinarisch ungehorsam sind und mit ihren ureigenen Assoziationen Neues schaffen.
Ich freue mich, an dieser Stelle, also in Luka Lübkes Küche gegen den Weltuntergang ein paar Wochen Gastkolumnist zu sein, hoffe, dass es Ihnen schmeckt und dass ich nicht allzu sehr kleckere.
„Holen Sie alles aus Ihrem YX-Notebook heraus“, steht in meinem neuen Papier-Notizbuch, dem hässlichsten, das ich jemals besessen habe. Das ist Werbung für eine App, die das Notizbuch PREMIUM macht. An meinen bisherigen (werbefreien) Notizbüchern habe ich immer geschätzt, dass ich etwas hineintun kann. Meine verknüdelten Gedanken zum Beispiel, die sich beim Schreiben entwirren, die gefasst in lediglich 26 Buchstaben klarer wirken. Ist das eine ganz kleine Vorstufe von Digitalisierung?
Ich bin im Urlaub und habe mir selbst versprochen, keine Telefonate und Mails zu beantworten. Ja, es gibt WiFi. Wenn man sich draußen auf die Treppe zum Hinterhof setzt und weit rausbeugt. Das ist ärgerlich, wenn man so will, weil man doch mit Blick in den Sonnenuntergang ganz gerne noch schnell mal nachkucken könnte, was noch mal Bauernmarkt in Landessprache heißt und wie man es richtig ausspricht.
Als ich daheim meine Abwesenheitsnotiz für Emails schrieb, habe ich überlegt, ob ich das Wort Quality-time verwenden soll. Ich habe nachgekuckt und festgestellt, dass es aus Amerika kommt, noch gar nicht so alt ist und man sehr viele Bedingungen erfüllen muss, um seine Zeit so nennen zu dürfen. Da habe ich es gelassen. Gesetze sind für mich erstmal nicht Quality – es sei denn, ich habe sie selbst geschrieben. Zum Beispiel sowas, wie es in anderen Worten in fast allen meinen alten Notizbüchern steht: Mein ganzes Leben soll Quality-time sein. Ich möchte nicht, dass es aus vielen Wochen Scheiß-Zeit und wenigen Tagen guter Zeit besteht. Arbeit soll ≠ Scheiße sein, denn das sind ganz schön viele Stunden meines Lebens. Scheiße kann auch privat passieren. Und zwar qualitativ sehr hochwertige Scheiße.
Eigentlich bin ich ja „die ohne Rezepte“, das werde ich auch bleiben. Aber Samstag durfte ich auf dem Open-Space-Domshof kochen und habe die Designerin Melanie Witte (Raus-in-die-Küche) kennengelernt. Ihre Masterarbeit ist eine mobile Küche, die einfach überall aufgebaut werden kann und dazu dient, Menschen im öffentlichen Raum die Gelegenheit zum gemeinsamen Kochen zu geben. So zum Beispiel am Samstag auf dem Domshofmarkt – wo sich Passanten nach dem Einkauf in die Küche stellen konnten, um gemeinsam mit Profis direkt ihre Mahlzeit zuzubereiten und nach Kochen und Fachsimpelei gemeinsam zu essen. Ich finde das ist ganz schön gut und vor allem gut gegen den Weltuntergang, nicht wahr?
Ich hatte nur ein Stündchen Zeit, daher habe ich mit den Open-Space-Machern beschlossen, einen kurzen Workshop zum Thema Senf und Kejap* selbst herzustellen, mit dem was da ist und dem Wissen, was drin ist. Damit auf den Luxus-Grill nicht nur schöne Lebensmitttel kommen, sondern auch schöne, kreative Sößchen ohne mysteriöse Zusatzstoffe und – plastikfrei. Senf, was ist das eigentlich? Ich habe bei einem kalten Kaffee darüber nachgedacht und nicht rausgefunden, warum man sagt, dass er dumm mache. Ich liebe Senf, auch wenn der Fleischermeister, bei dem ich Blutwurst machen gelernt habe, gesagt hat, dass man Senf nur braucht, wenn die Wurst Mist ist.
Was mal gut tut, ist auch ein bisschen zu beschimpfen. Das Publikum, das mein Brot bezahlt. Das macht man nicht – das hat schon meine Großmutter mir beigebracht. Alles Mögliche, was man nicht macht. Breitbeinig sitzen, laut pupsen, nicht Danke sagen, sowas. Hand vor’n Mund, gerade sitzen, das Perlipopp nicht mit dem Nachbarshund teilen. Ich glaube, nicht jeder hatte so eine Oma. Genauso, wie manche Kinder nicht das Rund/Eckig-Spielzeug hatten, bei dem man verschiedenförmige Bauklötze in einen großen Bauklotz steckte und so die Formen lernte. Blöd, wenn man Tellerwäscher geworden ist oder Ingenieur oder Logistiker. Manche von uns, ob mit oder ohne Rund/Eckig-Lernspielzeug sind trotzdem was geworden, zum Beispiel Immobilienmakler oder dergleichen. Da kann man pastellfarbene konische Hosen tragen und auf dem Dach des 16. Stocks mit Blick auf die Elbe mal schön grillen und sich einen gestärkten und gebügelten „AllesBio-AllesRegional-Spitzenkoch“ hinstellen, der einem das Wurst-Taxi macht. So als Schmuck. Mich zum Beispiel.
Ich mag meinen Beruf. Des Kochens wegen. So sehr, dass ich vieles andere dafür in Kauf nehme, auch zwischenmenschlich. Dass man mir nicht guten Tag sagt, dass man keinen Platz macht, wenn ich wirklich heiß und fettig und vor allem schwer trage. Auch, dass man sich mit Hündchen und Seidentüdelü am liebsten um den Grill gruppiert, an dem der Kollege alle zwei Minuten vorbeimuss, um das Buffet zu bestücken. Ich akzeptiere Veganer, die zum Schlachtefest kommen. Auch die, bestimmt mit vielmehr Abitur als ich, die sagen: Ich ernähre mich veterinär. Ihr seid meine Gäste und ich bin freundlich zu Euch, egal, was kommt – klar koche ich schnell noch was Veterinäres. Ich finde auch liebend gern nebenbei heraus, warum auf dem Herren-WC keine frischen Schnittblumen sind. Selbstverständlich. Gerne. Sofort. Fast grenzenlos ist meine Professionalität, ich hasse Euch gar nicht, überhaupt nicht, bis hierher:
„Hey, das ist wirklich ganz besonders lecker, das wollte ich nur mal sagen. Besser kocht nur meine Oma. Aber das haben Sie jetzt nicht gehört.“ Und was, möchte ich fragen, hat wohl Ihre Oma unterlassen, Ihnen beizubringen? Machen Sie das mit Ihren verzogenen Burberry-Kindern genauso? Kein Koch hat die Ambition, sich jemals mit irgendjemandes Großmutter zu messen. Hatte er doch selbst eine, die ihm beigebracht hat, was man nicht macht. Sowas zum Beispiel.
16. Mai: Ich habe den Christbaum abgeschmückt. Zwar war unser Familien-Essen erst Mitte Februar, aber dennoch – es ist irgendwie zu spät um sich so richtig zu freuen, dass man was geschafft hat. Ich habe keine Zeit für sowas. Für so Vieles habe ich keine Zeit. Oft frage ich mich, wie all die anderen Menschen es hinbekommen, neben der Arbeit ihren Haushalt in Ordnung zu halten. Die, die immer glänzende Wasserhähne, Esstische ohne Weinflecken, staubfreie Bücherregale und niemals Spinnweben haben. Ich habe fast immer von allem ein bisschen und das, obwohl ich nicht von mir behaupten kann, mich ausreichend um meine Freunde und Verwandten zu kümmern. Die haben sich schon dran gewöhnt. Meine Wohnung gewöhnt sich nicht daran.
Zum Kochen dagegen finde ich fast immer Zeit, spätestens nachts. Möglicherweise besteht da ein klitzekleiner Zusammenhang, denn warum wäre sonst immer irgendwo Mehl, Krümel und Eigelb im Bett und Tomatensauce auf den Schuhen? Das alles wäre natürlich austauschbar gegen einen gigantischen Stapel Pizzakartons neben dem Bett – wenn ich nicht so geizig und narzisstisch wäre, lieber selbst zu kochen, egal wann und in welchem Zustand. „DO YOUR OWN FAST FOOD“ weiterlesen
Immer wieder werde ich gefragt, ob ich für das, was ich gerade gekocht habe, das Rezept verraten könne. Als ich jung war, hat mich das besonders dann aufgeregt, wenn ich zum Beispiel gerade etwas gekocht habe aus irgendwelchen Lebensmitteln, die man mir hingelegt hat. Heute ist es eher eine Gelassenheitsübung à la „Was denkt Ihr denn, was in so ein kleines Köchinnen-Gehirn alles reinpasst?“ Irgendwann mal wird jemand kapieren, dass es genau diese Autonomität ist, wegen der ich aus allem etwas kochen kann. Früher konnte das jeder, denn am Ende ging es darum, aus dem, was man hatte, etwas zu Essen zu machen. Irgendwo auf dem Weg in den Überfluss ist uns dieses Selbstbewusstsein abhanden gekommen. Trauen wir uns nicht mehr kreativ zu sein, aus Angst vor Versagen bei der Performance? Geht es um Performance? Klar, auch. Aber auch um Essen. Und dass braucht Kreativität.
Hier und heute eine super Sache, mit der Ihr Leute beeindrucken könnt, was mit Frischkäse essen wollen, aber plötzlich Wochenende ist und es keinen Frischkäse gibt. Nehmt einen Liter echte Vollmilch, erwärmt ihn mit etwas Salz, gebt den Saft einer Zitrone dazu und lasst die Milch ausflocken. Gießt die Flüssigkeit langsam durch ein Tuch und drückt den festen Teil leicht aus. Seht Ihr? Keine Zauberei ist das.
„Und gibt es ein Rezept, mit dem ich Frischkäse essen kann?“
Aber gerne doch: 2 Liter gutes Öl, 1 Blatt Petersilie, 1 Msp altes Brot, 2 TL Oliven, 8 Knoblauchzehen, soviel Trüffel, wie Du tragen kannst. Merkste selber?