DER GAST IST KÖNIG

Die Gastronomie ist einmal für Reisende entstanden, die fern vom familiären Herd durchs Land zogen und eine Rast brauchten: ein Bett, einen Schoppen und eine warme Mahlzeit. Nicht umsonst lautet die Definition der Sterne-Wertung des weltweit renommiertesten Restaurantführers wie folgt:

*= besonders gute Küche

** = verdient einen Umweg und

*** = eine Reise wert.

Spätestens Ende März dieses Jahres ist uns allen aufgefallen: wir sind niemals essen gegangen, weil wir nicht kochen können und wir sind niemals in die Kneipe gegangen, weil wir vergessen hatten, Bier zu kaufen. Erst als Bars, Kneipen und Restaurants geschlossen hatten…

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Aus dem Tagebuch einer freischaffenden Köchin am 18. März 2020

Ist das nicht schön?

Im Treppenhaus duftet es nach Essen. Nach Zwiebeln nach Butterbrutzel, nach zu Hause. Genau das habe ich mir in den fast 20 Jahren gewünscht, in denen ich Menschen kochen beigebracht habe. Wieder zu Hause kochen, jeder Mensch, für sich selbst, füreinander. Nicht als Challenge, sondern liebevoll.

Über eine Woche bin ich nun schon unfreiwillig ohne Arbeit und ich entschleunige, wie die Meisten, denen es gerade so geht. Existenzängste durchstreichen, Champagner drunterschreiben in rot. Ruhe bewahren, sich rückbesinnen an Omi, die gesagt hat: „Nich ärgern, bloß wunnern.“ Über eine Woche – und die Bude sieht immer noch aus wie Sau. Weil es Wichtigeres gibt als zu putzen. Das viele Wundern zum Beispiel. Über das Flimmern in unseren Augen, wenn wir „Desinfektionsmittel“ mit drei Fragezeichen sagen. Über das, was über den Rand unserer Einkaufswagen quillt. Über die Stimmfrequenz mit der wir Kindern sagen, dass sie nichts anfassen sollen. Und dann natürlich das Wundern darüber, dass es eines Wunders bedarf, dass wir überleben. Wirtschaftlich.

Egoistisch klingt das, denn schließlich geht die Gesundheit vor. Die körperliche Gesundheit Aller in dieser Gesellschaft, in dieser Welt voller Menschen, die essen und trinken, damit sie leben. Wie ich. Ich bin noch gesund und dankbar dafür. Bis vor zwei Wochen war ich auch noch wirtschftlich gesund. Ich bleibe ruhig und bin heilfroh, dass ich keine Angestellten habe, für deren Familien ich verantwortlich bin. Dass ich das Restaurant, das meine Lebensaufgabe war, nun nicht schließen muss, weil ich das schon vor ein paar Jahren hinter mich gebracht habe. Ich bin ruhig, froh und dankbar. Ich denke positiv, obwohl es mir an den Kragen geht, weil es im Treppenhaus gut riecht. Es ist so schön, dass Ihr kocht!

Und wenn der Spuk vorbei ist, in vier Wochen oder Monaten, dann habt Ihr’s drauf. Das ist gut, weil dann ein Großteil der Restaurants in Eurem Viertel pleite sein wird. Schlecht ist lediglich, dass es den Tresen, an dem ihr so gerne berichten würdet, was Ihr Geiles mit Nudeln und Klopapier gekocht habt, auch nicht mehr geben wird. Prost!

 

Letztes Glas im Stehen