MONOLOG RÖTLICH
Das Wort Dornfelder kann in einem schon ein Grausen auslösen. Und Rosé? Naja. Wenn ich nicht wüsste, dass mich dieser Protagonist* schon vor Jahren vom Hocker gehauen hat, würde ich schon beim Riechen an der Flasche etwas Abfälliges in Richtung Fruchtgummi sagen. Durch seine spektakuläre Farbe ist der Rötlich ein Wein, mit dem man gut aussieht. Besser noch als mit Aperol.
Im Glas ist das Weingummi noch da, aber gezähmt zwischen Veilchen und einer für mich noch unbestimmbaren Herbheit. Die Haut von weichem Obst, wenn sie stramm ist und der Morgentau sich darauf ausruht. Kirschen? Am Nachmittag reife bodennahe Beeren, etwas angepickt schon von schwarzen Vögeln. Was ist dieses Unfruchtige? Metall? Stroh, rauschendes Bachwasser? Ich komme nicht drauf und probiere endlich.
Vergessen ist zunächst das Weingummi. Stattdessen kommt eine wunderbar selbstbewusste Rebsorte daher, die sagt: „Es ist mir egal, was Ihr über mich tratscht. Ich mache meine Sache gut, schon viel länger, als Ihr saufen könnt.“ Sie ist sehr elegant und trägt einen Veilchenhut. Beim zweiten Probieren sind die Erdbeeren wieder da und ich denke an Süßes mit Baiser. Wahrscheinlich ist das zu einfach gedacht. Oder? Ich komme mit dem Marmeladenlöffel und werde bestätigt. Ich probiere es mit sauren Sachen. Senf passt gut, er bringt die Süße schön nach vorne. Backpflaume ist auch interessant, hier passiert das Gegenteil: der Wein kühlt und schleift die Süße ab, ohne selbst zu verlieren. Es fehlt etwas Rauchiges. Ich versuche es mit geräuchertem Rind und Tiroler Speck. Der Kreis schließt sich nicht. Ist es Dattel? Ich habe keine und versuche es mit albanischen Feigen in Sirup. Der Kreis schließt sich nicht. Eine harte Nuss, diese Dame in Rosa. Rose vielleicht? Ich werde direkter: frischer Kren. JEIN.
Ich rauch mal eine. Vielleicht fällt mir ein anderer Weg ein als Chili und Fischsauce, denn auch da sind die Chancen nicht groß, dass Rötlich das schafft. Ich weiß es doch, ich habe den für meinen Geschmack besten Rosé im Glas, den ich jemals getrunken habe. Und jetzt redet er nicht mit mir. Was willst Du? Gar nichts zu essen? Ich überlege, was man in der Pfalz wohl so isst. Wo ist überhaupt ganz genau die Pfalz? Saumagen. Und Patrick Süskind ist mein Lieblingsarchitekt. Vielleicht muss ich betrunkener sein?
Ein Glas später: Fett! Fett ist die Lösung für Vieles. Ich komme mit einem Schmalztopf und einem Fläschchen Zedernuss-Öl zurück, auf dem Weg rieche ich am Sauerteig-Ansatz. Käsefüße. Zedernuss-Öl, das ist jetzt interessant. Was dazu? Jetzt doch Tomate? Hartkäse? Was wäre denn, Rötlich, wenn Du ein Rotwein geworden wärst? Ich probiere ihn mit altem Hartkäse von der Ziege. Umami. Das überzeugt zusammen mit dem Zedernuss-Öl! Was Bitteres wäre jetzt noch gut. Meine Rauke ist erst 2 cm groß, so reiße ich ein paar junge Blätter von der Birke, die sich ungefragt auf meinen Balkon gepflanzt hat und stecke sie in den Mund.
Rötlich, ich hab‘ Dich!
Tomaten und Ziegenkäse mit Zedernuss-Öl und jungen Birkenblättern
Tomaten fein schneiden, Käse mit dem Sparschäler hobeln, beides auf dem Teller verteilen. Ein kleines Dressing aus Zedernuss-Öl, einem Tropfen Fischsauce, etwas Honig und Senf rühren und über die Tomaten geben, salzen und pfeffern. Zum Schluss mit jungen Birken-oder Eschenblättern (auch im Bild) bestreuen.
Anmerkungen: Dazu und natürlich auch zum Wein passt eine Scheibe Roggensauerteigbrot. Alternativ zum Zedernuss-Öl eignet sich auch ein anderes Nuss-Öl oder einfach ein gutes Olivenöl plus ein paar Pinienkerne. Wer keine Bäume essen will, obwohl sie sehr gesund sind, kann auf Radicchio, Rauke oder Löwenzahn ausweichen. Beim Hartkäse gilt: es muss nicht Ziege sein, auch Pecorino oder Parmesan passen perfekt.
*PROTAGONIST WEIN, so heißt eine noch ziemlich junge Veranstaltungsreihe von meiner Lieblingsweinhändlerin Diane Boldt und mir. Sie betreibt die GluckGluck Weinhandlung in der Neustadt und wir kennen uns schon lange, mögen Riesling und Silvaner und arbeiten wirklich gern zusammen. Vielleicht, weil wir ganz in der Nähe voneinander Geburtstag haben.
Die Ambition von Protagonist Wein ist, den Wein das Essen bestimmen zu lassen, nicht andersrum. Diane gibt mir fürs Menü vorab drei Weine, die ich nicht kenne, ich probiere zu Hause und denke mir ein Menü dazu aus. Ich lese nicht das Etikett und ich recherchiere nicht im Netz – ich rieche und schmecke und mache mir Notizen, lerne ohne Bücher kennen. Wer bist Du? Was willst Du von mir? Was gibst Du mir? Ich sammle ALLE Assoziationen, die mir in den Kopf kommen. Musik, alte Möbel, Erinnerungen, Landschaften, verrostete Tore, Gardenien und Autoreifen….. daraus entsteht dann das Menü. 3 Gänge, 3 Weine. Leider mussten wir aus bekannte Gründen all diese Veranstaltungen absagen. Als kleinen Trost für die Menü-Verschiebungen gibt es jetzt kulinarische Inspiration für zu Hause, direkt auf den Wein gekocht. Schaut hier:
Welcher Wein passt zum Essen?
Das ist die Frage, die Weinhändlern, Sommeliers und Köchen jeden Tag gestellt wird. In unserer Kooperative PROTAGONIST WEIN drehen wir den Spieß um. Der Wein bestimmt das Essen. Diane Boldt (GluckGluck Weinhandel) sucht einen Wein aus, Luka Lübke (Apokaluebke KgW) schmeckt dem nach und kocht dazu.
Guten Appetit und zum Wohl!
Diane Boldt und Luka Lübke