Über das Ritual des gemeinsamen Alleintrinkens
Manchmal trinke ich mit Leuten, die gar nicht da sind. Wenn es spät wird, tanze ich auch mal einen Walzer mit meiner Großmutter, die Johann Strauß so sehr liebte. Schaumwein dagegen trinke ich gern mit Jehann, der jetzt woanders wohnt. Jeder kriegt sein Lieblingsglas. Ich lege auch immer ein Geschirrtuch auf meinen Esstisch, der in Wirklichkeit ein Schreibtisch ist, weil Jehann das Geräusch nicht mag, wenn Glas auf Glas trifft.
Auch der PROTAGONIST WEIN, für den ich heute kochen darf, ist ein alter Bekannter. Zumindest der Winzer: Frederik Janus. „Zwei Bremer brachen einst auf in die Pfalz, um Wein zu machen“ steht auf der Flasche. Dieser Satz hat uns damals inspiriert, dieses sympathische junge Paar kennen zu lernen und gemeinsam durchzuprobieren, was die beiden in Herxheim am Berg so machen. Und einiges hat seinen Weg in unsere Weinkarte gefunden. Was es damals noch nicht gab: den Crémant Pinot brut.
Er hat eine wunderschöne Farbe, pudrig rosa wäre vielleicht das Fachwort, rharbarbrig trifft es eher. Eine Minute kucke ich ihm beim Perlen zu bevor wir anstoßen, ich lächle in Richtung des leeren Stuhls. Er riecht nicht nach Rhabarber, sondern nach roten Trauben. Komisch, nicht? Ob er aus roten Trauben gekeltert wurde? Um das herauszufinden müsste ich jetzt googeln, aber das ist gegen die Regeln von PROTAGONIST WEIN. Fragt Diane vom Weinladen, die weiß das alles – ich bin nur fürs Schmecken da. Angenehm trocken, wenig Säure, Bitterstoffe wie altes Möbel. Ein Brokatsofa. Eine Wolldecke, bisschen klamm, die da schon länger liegt. Hund? Nein. Einmachgläser eher, mit Kirschen vielleicht oder Mirabellen aus dem Sommer. Es ist später im Jahr, kälter. Kartoffeln lagern hier im Dunklen, eine Holzleiter quietscht. Kartoffel, Zwetschge, Zwiebel, viel Zwiebel – wie eine warme Jacke. Ist das Bananigkeit am Ende? Eher die Süße vom Lauchgrün.
Und schon sind sie wie weggeblasen, die Sorgen, die ich mir heute früh machte: was man wohl kochen soll zum Sekt, außer einem überkandidelten Lachshäppchen. Isst man überhaupt was zum Sekt oder dient er nur dem Vorgeplänkel, damit die Leute ins Labern kommen?
Plötzlich weiß ich, da geht viel mehr. Danke, Omi, für Deine norddeutschen Eintöpfe! Für Birnen, Bohnen und Speck, all das Eingemachte, die Pluum und die Klütschen. Dieser Gang ist für Dich! Man darf beim Sekt trinken auch mal weinen. Ich hole ein frisches Glas, jetzt sind wir zu dritt. Ihr habt Euch nie kennen gelernt, Jehann und Du, es hat dem Leben gerade so nicht mehr gepasst. Manchmal stelle ich mir vor, Du säßest im Himmel auf einer Eichenholzbank mit Jehanns Mutter Emma, die ich nie kennen gelernt habe. Ihr hieltet einen schönen Tratsch darüber, was wir hier unten für einen Blödsinn machen und dass Ihr uns trotzdem liebhättet. Schnell noch ein Glas für Emma. Auf das süßsaure Leben!
Graupeneintopf mit Speck, Kartoffeln und Backobst
nach Erinnerung an Post-Mariechen
100 g gestreiften Räucherspeck, gewürfelt
500g Kartoffeln, gewürfelt
2 Zwiebeln, gewürfelt
1 Stange Lauch, gewürfelt
Wacholder, Nelke, Lorbeer, Zimtstange
1 Kaffeetasse Gerstengraupen
1 Handvoll Backobst, wie Apfelringe oder Pflaumen
1 Schuss Essig
Speck anbraten, im selben Fett die Zwiebeln und Kartoffelwürfel anschwitzen. Mit Wasser bedecken, die Gewürze zugeben, salzen und pfeffern. Sind die Kartoffeln fast gar, kommt der Lauch, die Graupen und das Backobst dazu. Abschmecken mit Salz, Pfeffer und Essig. Eigentlich ganz wichtig, aber nicht im Bild: frischer Liebstöckel?
(Für 4)
PS: wenn Ihr am Nachmittag immer noch quatscht und noch was in der Crémant-Flasche ist: probiert mal ein Stück Bitterschokolade mit Orangenzesten dazu – himmlisch erfrischend!
Den Hintergrund zu dieser Serie und den link zum Weinladen findet Ihr in den vorherigen Folgen von PROTAGONIST WEIN. Prost!