Ich ernähr` mich veterinär

PUBLIKUMSBESCHIMPFUNG zur GRILLSAISON

Was mal gut tut, ist auch ein bisschen zu beschimpfen. Das Publikum, das mein Brot bezahlt. Das macht man nicht – das hat schon meine Großmutter mir beigebracht. Alles Mögliche, was man nicht macht. Breitbeinig sitzen, laut pupsen, nicht Danke sagen, sowas. Hand vor’n Mund, gerade sitzen, das Perlipopp nicht mit dem Nachbarshund teilen. Ich glaube, nicht jeder hatte so eine Oma. Genauso, wie manche Kinder nicht das Rund/Eckig-Spielzeug hatten, bei dem man verschiedenförmige Bauklötze in einen großen Bauklotz steckte und so die Formen lernte. Blöd, wenn man Tellerwäscher geworden ist oder Ingenieur oder Logistiker. Manche von uns, ob mit oder ohne Rund/Eckig-Lernspielzeug sind trotzdem was geworden, zum Beispiel Immobilienmakler oder dergleichen. Da kann man pastellfarbene konische Hosen tragen und auf dem Dach des 16. Stocks mit Blick auf die Elbe mal schön grillen und sich einen gestärkten und gebügelten „AllesBio-AllesRegional-Spitzenkoch“ hinstellen, der einem das Wurst-Taxi macht. So als Schmuck. Mich zum Beispiel.

Ich mag meinen Beruf. Des Kochens wegen. So sehr, dass ich vieles andere dafür in Kauf nehme, auch zwischenmenschlich. Dass man mir nicht guten Tag sagt, dass man keinen Platz macht, wenn ich wirklich heiß und fettig und vor allem schwer trage. Auch, dass man sich mit Hündchen und Seidentüdelü am liebsten um den Grill gruppiert, an dem der Kollege alle zwei Minuten vorbeimuss, um das Buffet zu bestücken. Ich akzeptiere Veganer, die zum Schlachtefest kommen. Auch die, bestimmt mit vielmehr Abitur als ich, die sagen: Ich ernähre mich veterinär. Ihr seid meine Gäste und ich bin freundlich zu Euch, egal, was kommt – klar koche ich schnell noch was Veterinäres. Ich finde auch liebend gern nebenbei heraus, warum auf dem Herren-WC keine frischen Schnittblumen sind. Selbstverständlich. Gerne. Sofort. Fast grenzenlos ist meine Professionalität, ich hasse Euch gar nicht, überhaupt nicht, bis hierher:

„Hey, das ist wirklich ganz besonders lecker, das wollte ich nur mal sagen. Besser kocht nur meine Oma. Aber das haben Sie jetzt nicht gehört.“  Und was, möchte ich fragen, hat wohl Ihre Oma unterlassen, Ihnen beizubringen? Machen Sie das mit Ihren verzogenen Burberry-Kindern genauso? Kein Koch hat die Ambition, sich jemals mit irgendjemandes Großmutter zu messen. Hatte er doch selbst eine, die ihm beigebracht hat, was man nicht macht. Sowas zum Beispiel.

Veterinäre Ernährung