Wir Deutschen wurden jahrzehntelang gern nach einer elsässischen Spezialität benannt, so wie die Italiener nach einer von Marco Polo aus China mitgebrachten Teigware. Auf die heutige Zeit übertragen wären wir wohl heute alle Pizzas oder Döners, wenn nicht gar Weltburger.
Ich habe schon früh begonnen mich meiner Nationalität zu schämen. Daran waren gar nicht meine Eltern schuld, bei denen Kartoffeln angesagter als Spaghetti waren, sondern ich ganz alleine. Schon als Kind wollte ich nie einen langweiligen Deutschen heiraten, sondern einen Indianer oder Eskimo. Nur waren die selten anzutreffen. Einmal war meine Mutter mit mir in einem Hamburger Kaufhaus bei den chinesischen Wochen. Alles war wie im Märchen. Schwarzlackiert, Rot und Gold mit Drachen und mysteriösen Schriftzeichen. So entschied ich mich für einen Chinesen. Einen der Klavier spielen kann. Denn, wenn einer Klavier spielen kann, ist der Rest schon fast egal.
Einen Chinesen malte man als ich klein war mit einem dreieckigen Hut, Strich-Augen und kleinen Zöpfen. Das hat mir Mrs. Anne beigebracht, eine echte Indianerin, die mein Vater auf einem Gletscher in Alaska kennengelernt und zu uns in die Heide eingeladen hatte. Sie ist echt mit dem Flugzeug gekommen und trug einen Kunstpelz mit Leopardenmuster und Pullover in radiant orchid. Die kleinen Zöpfe haben wir aus der Wolle unserer Schafe geflochten und auf Fleischerpapier geklebt. Später dann, als ich Mode-Tussi war, nannte man den Typ meines Traummanns einen „Prada-Chinesen“. Fies, oder? So wie „Edel-Downie“, ein Begriff, den ich erst viel später in der Inklusionsbranche kennenlernen sollte. Nur ein einziges Mal vor vielen Jahren in Hong Kong war ich kurz davor, ihn kennen zu lernen, meinen Chinesen. Ich hatte leicht einen sitzen in Wan Chai und er konnte Klavier spielen. Ich ging mit ihm ins Conrad, wo er einschlief, als ich ihm das Begrüßungsfax vorlas. Er hieß Guido, war Schweizer und Chef de Rang in dem österreichischen Restaurant, bei dem ich mich als Koch beworben hatte. Danach bot man mir seinen Job an. Ich habe noch die Streichhölzer vom Hotel. Eine schöne Zeit war das.
Auslandsreisen sind ja eigentlich immer eine schöne Zeit. Kennst Du das? Immer mit dem Rücken zu San Marco, einfach loslaufen mit der Masse durch die Straßen und Wochenmärkte außenliegender Viertel mit schönem Klang und unterschiedlicher Kriminaliläts-Wahrscheinlichkeit? Da sein, wo die Leute sind, die da immer leben? Mit dem Strom schwimmen geht natürlich am besten, wenn man wenig auffällt. Dass man die ortsübliche Sprache nicht ordentlich spricht – das geht ja unter Heilbronn schon los – lässt sich oft so schnell nicht ändern. Dass man die falsche Farbe hat auch nicht.
Für alles andere verrate ich Euch heute meine vier Lieblingsrezepte für unterwegs und eins für zu Hause:
- Gelangweilt kucken. Versuche, eine Kathedrale und auch schöne Frauen so anzukucken, als würdest Du jeden Tag daran vorbeilaufen. Vermeide Stadtpläne aus Papier. Behalte trotzdem Dein Telefon.
- Es eilig haben. Tu so, als müsstest Du zur Arbeit, obwohl Du in Athen bist und Dich verlaufen hast. Du wirst sehen, man wird Dich nach dem Weg fragen.
- Plastiktüten. Da kommen alle Wertsachen und das Kilo Kujambel-Dollar für den Rückflug rein. Im LV-Fake-Handtäschchen ist nur das Scheiße-Beutelchen für den Hund.
- Petersilie. Willst Du als Tourist unerkannt bleiben, kauf Dir auf dem Markt drei Tomaten und ein Bund Petersilie, das Du aus der Tasche ragen lässt. Niemand mit einem Hotelzimmer braucht ein Bund Petersilie. So geht Zugehörigkeit für Dvadecet Dinar inklusive Vitamine.
- Krautsalat. Mit gerösteten Kürbiskernen*. Kauf den schönsten Kopf Weißkraut oder Spitzkohl vom Markt und schneide ihn ohne Strunk in ganz feine Streifen. Gib etwas Salz, Zucker und Deine Lieblingskümmelsorten dazu und knete ihn ein paar Minuten lang mit den Händen kräftig durch, sodass die Fasern aufbrechen und er sein Volumen halbiert. Denk dabei an etwas Gutes. Zupfe ein Bund Blattpetersilie ab, hacke die Blätter grob und mische sie mit dem Kohl. Schmecke mit gutem Öl und Essig oder Zitrone ab. Röste Kürbiskerne in der trockenen Pfanne und streue sie gedankenverloren darüber. Klingt unspektakulär, schmeckt aber nicht so!
- * denn heute ist mein Chinese ein Österreicher. Er kann kein Klavier spielen. Ich glaube inzwischen, es gibt Wichtigeres.